In der Woche zween" hielt schon Martin Luther für das rechte Maß einer glücklichen sexuellen Beziehung. Und bis heute spukt dieser angebliche und angeblich erstrebenswerte Durchschnitt - Sexratgebern, Pornos und Hochglanzmagazinen sei Undank - derart in unseren Köpfen herum, dass viele Paare der Zahl mehr Bedeutung beimessen als der Nummer selbst. Weshalb sogar jene, die ihr Zweimal-im-Monat-Sexleben eigentlich als befriedigend bezeichnen würden, plötzlich damit anfangen, an ihrer Performance herumzudoktern - sei es mit Erotikspielzeug und sexy Dessous oder aber gleich mit Paartherapien und blauen Pillen. „Da geht mehr" wird als Credo im Bett ausgerufen. Doch wenn dieses Mehr erreicht ist, ist oft nur noch wenig vom Spaß übrig, den man eigentlich mal hatte.
Mehr Sex ist oft weniger Spass.
Die Liebenden wundert's, die Sexperten nicht. Denn die Paare haben mit ihrem Tuning zwar die Frequenz, aber nicht die Lust gesteigert. Quantität bedeutet eben nicht unbedingt Qualität - und ersetzt sie schon gar nicht. Und so haben die Liebenden am Ende das, was sie im Sturm der Optimierungsbegeisterung doch vermeiden wollten: eine echte Flaute im Bett. Das „Länger, geiler, öfter" Vorhaben hat sich (von) selbst erledigt.
„Gesund und befriedigend kann Sexualität eben nur sein, wenn sie von beiden bejaht wird, wenn sie in Art und Häufigkeit den Partnern entspricht, wenn sie authentisch und gewollt ist", so Sexualtherapeut Prof. Ulrich Clement. „Zu einer authentischen Sexualität gehört das Nein ebenso wie das Ja." Dass das Ja mit den Beziehungsjahren rarer wird, hält der Sexperte nicht für bedenklich, sondern für normal. Schon nach zwei bis fünf Jahren Partnerschaft nehme die sexuelle Aktivität ab, pendle sich für das Paar individuell ein und gehe langsam weiter zurück. Über die Qualität des Sex sage das aber nichts aus. Und auch nicht über jene der Liebe.
„Das Wohlbefinden in der Beziehung nimmt dadurch nicht ab", weiß auch Sexualwissenschaftler Kurt Starke. „Wenn es zwischen den Partnern stimmt, dann stimmt's. Wenn's nicht stimmt, kann auch (mehr) Sex die Trennung nicht verhindern." Wohl aber kann Sex die Trennung forcieren, wenn er forciert wird. Denn Druck erzeugt Druck. Und der ist nicht nur der größte Feind der Befriedigung, sondern auch der Liebe.
Wie oft ist nicht die Richtige Frage
Wer sich nämlich auf das „Wie oft" fokussiert, vergisst schnell andere Fragen, die zu beantworten für dauerhaftes Glück viel wichtiger wären. Etwa jene nach den wahren Werten, auf denen die Beziehung (außerhalb des Bettes) beruht. Die stärkste Basis sind nämlich noch immer Gefühle. „Nähe und Zärtlichkeit schaffen das tiefe Vertrauen, das in unserer coolen Welt sonst kaum noch erreicht werden kann", betont Starke. „Dadurch bildet sich ein ‚Wir-Gefühl‘, das Sicherheit, Geborgenheit und Halt gibt, sich aber nicht auf Sex reduzieren lässt. Es ist vielmehr die Summe der positiven Emotionen, die für eine glückliche Beziehung
ausschlaggebend ist. Sex übernimmt dabei nur einen kleinen Part, ist Mittel oder auch Katalysator."